Schulkinder als Leidtragende der Pandemie
Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die mentale Gesundheit von Schulkindern in Deutschland
Die COVID-19-Pandemie hat tiefe Spuren im Leben von uns allen, insbesondere dem der Kinder und Jugendlichen hinterlassen. Eine 2023 durchgeführte Studie wirft einen genauen Blick auf die psychische Gesundheit von Schülerinnen und Schülern in Deutschland während der Pandemie. Besonders interessant sind die Ergebnisse, die zeigen, wie sich psychische Auffälligkeiten, familiäre Belastungen und der Unterstützungsbedarf entwickelt haben.
Zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei SchülerInnen zählen Angststörungen, Depressionen, Störungen des Sozialverhaltens sowie Lernstörungen. Besorgniserregend ist dabei, dass die im Kindes- und Jugendalter erstmals auftretenden psychischen Erkrankungen das Risiko bergen, bis ins Erwachsenenalter anzuhalten bzw. sich verschlimmern können. Zudem erhöhen psychische Störungen nicht nur das Risiko für eine Klassenwiederholung, sondern auch für Schulabsentismus und ‑abbruch.
Auffälligkeiten auf hohem Niveau
Die Studienergebnisse zeigen, dass psychische Auffälligkeiten bei Schülerinnen und Schülern aller Schulformen seit Beginn der Pandemie zugenommen haben und auf einem hohen Niveau stabil geblieben sind. Besonders betroffen waren Grundschulkinder, bei denen Verhaltensauffälligkeiten und Hyperaktivität signifikant angestiegen sind. Die psychischen Auffälligkeiten bei Grundschüler:innen sind dabei von 16,9 % vor der Pandemie auf bis zu 40,0 % im zweiten Lockdown im Winter 2020/2021 gestiegen. Auch Schülerinnen und Schüler an Haupt‑, Real- und Gesamtschulen zeigten verstärkte psychische Auffälligkeiten, die von 21,4 % vor der Pandemie auf bis zu 30,9 % im zweiten Lockdown anstiegen.
Die Belastungen durch die Pandemie waren sowohl bei den Schülerinnen und Schülern als auch bei ihren Familien durchgehend hoch.
Bedarf an Unterstützung und Aufarbeitung
Die Studie verdeutlicht einen hohen Bedarf an psychischer Gesundheitsförderung und der Aufarbeitung des Erlittenen. Insbesondere ab dem Grundschulalter sollten Bemühungen erfolgen, um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Kinder zu stärken. Laut Untersuchungen erwiesen sich u.a. ein positives Verständnis von psychischer Gesundheit, Fortbildungen für Lehrkräfte und Eltern und ein ganzheitlicher Ansatz als effektive Interventionen zur Förderung der mentalen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen
In Zeiten erhöhter Belastung und Unsicherheit kann systemische Therapie ein effektiver Ansatz sein, um die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu stärken. Durch die Einbeziehung des gesamten sozialen Systems des Kindes – Familie, Schule, soziales Umfeld – kann systemische Therapie helfen, belastende Situationen zu verstehen, Ressourcen zu aktivieren und neue Lösungsansätze zu entwickeln. Indem das System als Ganzes betrachtet wird, können positive Veränderungen auf verschiedenen Ebenen erreicht werden.
Reaktivierung von Traumata
Es ist wichtig zu beachten, dass es möglich, und nach meiner Erfahrung häufig ist, dass zuvor erlittene Traumata durch die Pandemie reaktiviert wurden. Den Betroffenen ist dabei häufig nicht klar, dass eine Reaktivierung Ihres Traumatas vorliegt, sie stellen nur fest, dass sie vermehrt an Symptomen leiden. Insbesondere durch die erhöhte Belastung, Unsicherheit und Isolation während der Pandemie können Traumata für Betroffene wieder akut aufsteigen. Mögliche Symptome von reaktivierten Traumata können sein:
- Flashbacks oder belastende Erinnerungen an vergangene traumatische Ereignisse.
- Intensive Angst, Panikattacken oder erhöhte Nervosität.
- Schlafstörungen, Albträume oder Schlaflosigkeit.
- Reizbarkeit, Wutausbrüche oder emotionaler Rückzug.
- Konzentrationsprobleme, Gedächtnisprobleme oder Denkblockaden.
- Hypervigilanz, das heißt übermäßige Wachsamkeit und Misstrauen.
- Physische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Magenprobleme oder Verspannungen.
Betroffene, die in der Vergangenheit Traumata erlebt haben und durch die Pandemie mit reaktivierten Symptomen konfrontiert sind, sollten gut für sich sorgen und professionelle Unterstützung suchen zur Stabilisierung und Bewältigung der zusätzlichen Belastung.
Der Weg nach vorne
Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig es ist, die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu schützen und zu fördern. Die Ergebnisse dieser Studie bekräftigen das. Durch gezielte Interventionen und systemische Therapie können wir dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche gesund aufwachsen und besser mit belastenden Situationen umgehen können. Ein unterstützendes Angebot ist sowohl in der Schule als auch im familiären Umfeld wichtig. Und eine professionelle Begleitung kann hilfreich sein, eine schnelle Stabilisierung anstreben sowie das akute Leid mindern, um die psychische Gesundheit unserer jüngsten Generation zu schützen.
Quellen:
- von Bergen, Ursina Sarah, and Svenja Luisa Fellmann. “Subjektives Wohlbefinden alleinerziehender Mütter in der Deutschschweiz und deren Nutzung sozialarbeiterischer Angebote.”
- Schulte-Körne, Gerd. “Mental health problems in a school setting in children and adolescents.” Deutsches Ärzteblatt International 113.11 (2016): 183.
- Kessler, Ronald C., et al. “Lifetime prevalence and age-of-onset distributions of DSM-IV disorders in the National Comorbidity Survey Replication.” Archives of general psychiatry 62.6 (2005): 593–602.