Krisen? Aber sicher!
Von Krisen und Entwicklungshelfern.
Was sind Krisen, wie äußern sie sich, und wie können wir mit Ihnen umgehen, und sie sicher durchleben?
Haben Sie schon einmal eine Krise erlebt? Wahrscheinlich denken Sie jetzt „klar doch, was ist das denn für eine dumme Frage“. Recht haben Sie, denn in der Tat gibt es keinen Menschen, der keine Krisen erlebt. Die Frage ist dennoch berechtigt, da wir manchmal so tun, als wäre das ein Ausnahmefall, und als müssten wir ein Hollywood-Filmleben führen, in dem immer alles glattläuft. Krisen haben nur die anderen, das Scheitern wird ausgeschlossen, die Liebe hat nur Schokoladenseiten und ohnehin können wir alles erreichen, was wir nur wollen, vorausgesetzt wir wollen es wirklich. Ach ja?
Krise ahoi!
Ich schwenke meine Fahne lieber zugunsten der liebevollen Inklusion von Krisen in unser Leben. Krisen sind ein natürlicher Bestandteil jeden Lebens und gehören zur Entwicklung der Persönlichkeit dazu. Ohne Krisen ist persönliches Wachstum erschwert, wir bleiben sture Böcke und beharren auf unserer Meinung und unserem Kurs. Dabei ist manchmal der Fall ins Wasser das Einzige, was uns überzeugen kann, dass wir auf dem falschen Dampfer sind. Und manchmal ist eine Kehrtwende, was wir brauchen, um das Schiff vor dem Zusammenstoß mit dem Eisberg zu retten.
Sprache als Orientierung
Andere Kulturen und Sprachen bieten uns Einblicke dazu, wie man eine Krise verstehen kann. Das Wort Krise kommt aus dem griechischen „krisis“ = Entscheidung, entscheidende Wendung. Es wurde auch als Bezeichnung des Höhe- und Wendepunktes einer Krankheit verwendet. Erst im 18. Jahrhundert, unter französischem Einfluss gewinnt die Bedeutung des französischen „crise“ = entscheidende, schwierige Situation, an Bedeutung, und setzt sich als Hauptform allmählich durch. Das heißt, die ursprüngliche Bedeutung einer Krise sagte nur aus, dass eine Entscheidung oder Wendung bevorstand oder stattfand.
Gefahr oder Chance?
Blicken wir einmal in den Osten – im Chinesischen setzt sich das Wort Krise aus den Schriftzeichen ‘Gefahr’ und ‘Chance’ zusammen. Hier steht im Raum, dass es zwar eine potenzielle Gefahr gibt, diese aber gleichzeitig eine Chance bietet. Eine Gefahr macht uns achtsam, macht unsere Sinne wach, bereitet unseren Körper auf das Handeln vor, und lässt unseren Verstand auf Hochtouren arbeiten. Gleichzeitig bietet sich an, die prekäre Lage als Chance anzusehen. Wir könnten entscheiden, die Herausforderung des Schicksals anzunehmen, oder überlegen, was wir daraus lernen könnten, und Bewältigungsstrategien entwickeln.
Gibt es allgemeine Krisen?
Gibt es Krisen, die wir vielleicht alle durchlaufen und erleben, wenn auch in unterschiedlichen Verlaufsformen? Die gibt es!
So ist zum Beispiel die Pubertät eine natürliche Krise im Leben eines jeden Menschen. Manche durchlaufen sie schneller, manche langsamer, bei manchen verläuft sie hochakut, bei anderen subtiler. Aber es handelt sich um eine natürliche Krise, die alle betrifft.
Die Pubertät markiert den Übergang vom Kindsein zum Erwachsenwerden. Es geht um Abgrenzung, Ich-Findung, Austesten und dem Stellen von grundlegenden Fragen wie „wer bin ich?“, „wofür stehe ich?“ und „warum bin ich hier?“ Gleichzeitig lösen sich auf körperlicher Ebene existente Nervenverknüpfungen auf, und bilden sich völlig neu, die Hormone werden aktiviert und müssen sich einpendeln. Die Betroffenen sind nicht mehr Kind, aber auch noch nicht Mann oder Frau, und der Zustand dazwischen kann durchaus verwirrend sein.
Die Tendenz zur Abgrenzung bringt Stress in der Familie, vor allem mit Eltern und Autoritätspersonen, und die Jugendlichen versuchen ihren Weg zu finden, von dem sie zunächst vor allem eine theoretische Ahnung haben, da die Erfahrungen erst noch gemacht werden müssen. Wie Sie sehen, ist in dieser Lebensphase echt was los, und eigentlich ist es ganz logisch, dass so etwas nicht völlig spurlos an uns vorübergeht.
Aus Zwei mach Drei
Vermutlich unerwartet, aber die Geburt des ersten Kindes ist auch eine natürliche Krise. Warum? Ist hier nicht alles eitel Sonnenschein und Wohlgefallen? Gibt es denn nicht nichts Schöneres als ein Baby und eine neu gegründete Familie? Das ist richtig. Aber gleichzeitig wird eine Zweierbeziehung plötzlich zu einer Dreierbeziehung, und damit ändert sich alles. Das Baby ist vollkommen abhängig von den Eltern, und vor allem der Mutter, und alleine nicht überlebensfähig. Das ist eine riesige Verantwortung, die es nun zu tragen heißt, und die man nicht abgeben kann, denn man wird immer die Mutter oder der Vater dieses Kindes bleiben, bis man stirbt.
In der Dreierbeziehung muss jeder erst einmal seinen neuen Platz finden, das Trio muss sich einspielen. Es kommt zu einer großen Innigkeit und Nähe zwischen Mutter und Kind (körperlicher Natur), die als Störfaktor oder Bedrohung der bisherigen Innigkeit und Nähe des Paares erscheinen, und Eifersucht verursachen kann. Die Zweisamkeit und Zeit des Paares wird zunächst sehr eingeschränkt. Hinzu kommen körperliche Belastungen wie Schlafmangel, Erschöpfung und Übermüdung, sowie die körperlichen Veränderungen der Mutter durch die Geburt. Ja, ein Baby zu bekommen und eine Familie zu gründen ist wunderbar. Doch es fordert die Beteiligten enorm, und es findet ein großer Wandel des bisherigen Lebens statt.
„Krise wozu?“
Das eben genannte Beispiel ist anschaulich, um zu zeigen, dass eine natürliche Krise nicht so ablaufen muss, wie wir uns das vielleicht vorstellen – mit Traurigkeit, Depression, großem Verlust oder einseitiger Einschränkung. Das gibt es, aber es ist auch möglich, dass eine Krise etwas Neues hinzufügt und fördert, uns mit etwas beschenkt, und uns positive Erlebnisse und neue Erfahrungen schenkt. Wie zum Beispiel ein Baby. Und dies bringt z. B. das Gefühl mit sich, dass sich die Mühe lohnt.
Man sollte sich also besser nicht fragen „Krise, warum?“, sondern vielmehr „Krise, wozu?“ Wir können nicht ändern, dass es Krisen gibt. Und warum sie gerade dann auftreten, wenn sie auftreten, kann niemand beantworten. Was wir allerdings aus der jeweiligen Krise machen, das können wir beeinflussen. Und wozu wir sie nutzen möchten, können wir entscheiden.
Resilienz Gewinn
Sie könnten hinterher reicher an Erfahrung, klüger, stärker, reifer, entscheidungsfreudiger, und resilienter sein. Und stolz, weil Sie es durch das Tief geschafft haben. Das stärkt das Selbstvertrauen. Neues tritt in Ihr Leben ein, das Sie bereichern kann, oder eine neue Perspektive eröffnet. Und wenn die Krise schließlich vorbei ist, können Sie außerdem mit den erworbenen Blessuren bei Ihren Freunden angeben. Spaß beiseite – Sie wissen dann, „das habe ich durchgestanden, das hat mich nicht umgebracht, ich habe das geschafft und bin auch gerüstet, wenn die nächste Krise kommt. Denn was ich einmal geschafft habe, schaffe ich wieder.“
Wenn es dick kommt
Natürlich kann es auch mal dick kommen im Leben, was primär dann der Fall ist, wenn mehrere Krisen auf einmal auftreten. Dadurch steigen natürlich die Herausforderungen, und man steckt vielleicht in einem Gedankenkreisel fest, oder kann in eine momentane Überforderung kommen. Sei es körperlich oder psychisch oder beides. In so einem Fall ist es sinnvoll, sich professionelle Hilfe zu holen. Das ist keine Schande, sondern völlig normal. Schließlich repariert man einen Rohrbruch auch nicht selbst, sondern holt sich einen Profi. Dazu sind die schließlich da.
Entwicklungshelfer
Die professionelle Hilfe ändert die Krise an sich nicht. Sie hilft aber einen neuen Standpunkt einzunehmen, schafft Zeit und Raum, sich mit dem Nötigen auseinanderzusetzen. Das Potenzial, das in einer Krise steckt, kann herausgearbeitet werden. Und es kommt die Methodik und Erfahrung der Therapeut:in zum Einsatz, die erprobt ist und hilft zu ordnen, neu zu bewerten und konkrete Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Gerade die systemische Methode kann das wirklich gut. Den Rest können Sie selbst, denn die Lösung Ihres Problems liegt sowieso schon in Ihnen bereit, sie muss nur noch herausgekitzelt werden. #weildueswertbist
Nur Mut
Also keine Angst vor Krisen, wir brauchen sie alle und haben sie alle, sonst wären wir noch Kinder und blieben in unserer Entwicklung stehen. Und wir haben auch das Zeug, mit ihnen umzugehen. Sie auch!
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