Goldfisch, der aus einem fallenden Glas springt

Krisen? Aber sicher!

Von Krisen und Entwicklungshelfern.

Was sind Kri­sen, wie äußern sie sich, und wie kön­nen wir mit Ihnen umge­hen, und sie sicher durchleben?

Haben Sie schon ein­mal eine Kri­se erlebt? Wahr­schein­lich den­ken Sie jetzt „klar doch, was ist das denn für eine dum­me Fra­ge“. Recht haben Sie, denn in der Tat gibt es kei­nen Men­schen, der kei­ne Kri­sen erlebt. Die Fra­ge ist den­noch berech­tigt, da wir manch­mal so tun, als wäre das ein Aus­nah­me­fall, und als müss­ten wir ein Hol­ly­wood-Film­le­ben füh­ren, in dem immer alles glatt­läuft. Kri­sen haben nur die ande­ren, das Schei­tern wird aus­ge­schlos­sen, die Lie­be hat nur Scho­ko­la­den­sei­ten und ohne­hin kön­nen wir alles errei­chen, was wir nur wol­len, vor­aus­ge­setzt wir wol­len es wirk­lich. Ach ja? 

Krise ahoi!

Ich schwen­ke mei­ne Fah­ne lie­ber zuguns­ten der lie­be­vol­len Inklu­si­on von Kri­sen in unser Leben. Kri­sen sind ein natür­li­cher Bestand­teil jeden Lebens und gehö­ren zur Ent­wick­lung der Per­sön­lich­keit dazu. Ohne Kri­sen ist per­sön­li­ches Wachs­tum erschwert, wir blei­ben stu­re Böcke und behar­ren auf unse­rer Mei­nung und unse­rem Kurs. Dabei ist manch­mal der Fall ins Was­ser das Ein­zi­ge, was uns über­zeu­gen kann, dass wir auf dem fal­schen Damp­fer sind. Und manch­mal ist eine Kehrt­wen­de, was wir brau­chen, um das Schiff vor dem Zusam­men­stoß mit dem Eis­berg zu retten. 

Auf eine Sandbank aufgelaufenes, verwittertes Schiff.
Foto von Nick Jio/Unsplash

Sprache als Orientierung 

Ande­re Kul­tu­ren und Spra­chen bie­ten uns Ein­bli­cke dazu, wie man eine Kri­se ver­ste­hen kann. Das Wort Kri­se kommt aus dem grie­chi­schen „kri­sis“ = Ent­schei­dung, ent­schei­den­de Wen­dung. Es wur­de auch als Bezeich­nung des Höhe- und Wen­de­punk­tes einer Krank­heit ver­wen­det. Erst im 18. Jahr­hun­dert, unter fran­zö­si­schem Ein­fluss gewinnt die Bedeu­tung des fran­zö­si­schen „cri­se“ = ent­schei­den­de, schwie­ri­ge Situa­ti­on, an Bedeu­tung, und setzt sich als Haupt­form all­mäh­lich durch. Das heißt, die ursprüng­li­che Bedeu­tung einer Kri­se sag­te nur aus, dass eine Ent­schei­dung oder Wen­dung bevor­stand oder stattfand. 

Leuchtschild: Run from fear - Fun from rear
Foto von Jake Lucifer/Unsplash

Gefahr oder Chance?

Bli­cken wir ein­mal in den Osten –  im Chi­ne­si­schen setzt sich das Wort Kri­se aus den Schrift­zei­chen ‘Gefahr’ und ‘Chan­ce’ zusam­men. Hier steht im Raum, dass es zwar eine poten­zi­el­le Gefahr gibt, die­se aber gleich­zei­tig eine Chan­ce bie­tet. Eine Gefahr macht uns acht­sam, macht unse­re Sin­ne wach, berei­tet unse­ren Kör­per auf das Han­deln vor, und lässt unse­ren Ver­stand auf Hoch­tou­ren arbei­ten. Gleich­zei­tig bie­tet sich an, die pre­kä­re Lage als Chan­ce anzu­se­hen. Wir könn­ten ent­schei­den, die Her­aus­for­de­rung des Schick­sals anzu­neh­men, oder über­le­gen, was wir dar­aus ler­nen könn­ten, und Bewäl­ti­gungs­stra­te­gien entwickeln. 

Gibt es allgemeine Krisen?

Gibt es Kri­sen, die wir viel­leicht alle durch­lau­fen und erle­ben, wenn auch in unter­schied­li­chen Ver­laufs­for­men? Die gibt es! 

So ist zum Bei­spiel die Puber­tät eine natür­li­che Kri­se im Leben eines jeden Men­schen. Man­che durch­lau­fen sie schnel­ler, man­che lang­sa­mer, bei man­chen ver­läuft sie hoch­akut, bei ande­ren sub­ti­ler. Aber es han­delt sich um eine natür­li­che Kri­se, die alle betrifft. 

Die Puber­tät mar­kiert den Über­gang vom Kind­sein zum Erwach­sen­wer­den. Es geht um Abgren­zung, Ich-Fin­dung, Aus­tes­ten und dem Stel­len von grund­le­gen­den Fra­gen wie „wer bin ich?“, „wofür ste­he ich?“ und „war­um bin ich hier?“ Gleich­zei­tig lösen sich auf kör­per­li­cher Ebe­ne exis­ten­te Ner­ven­ver­knüp­fun­gen auf, und bil­den sich völ­lig neu, die Hor­mo­ne wer­den akti­viert und müs­sen sich ein­pen­deln. Die Betrof­fe­nen sind nicht mehr Kind, aber auch noch nicht Mann oder Frau, und der Zustand dazwi­schen kann durch­aus ver­wir­rend sein. 

Die Ten­denz zur Abgren­zung bringt Stress in der Fami­lie, vor allem mit Eltern und Auto­ri­täts­per­so­nen, und die Jugend­li­chen ver­su­chen ihren Weg zu fin­den, von dem sie zunächst vor allem eine theo­re­ti­sche Ahnung haben, da die Erfah­run­gen erst noch gemacht wer­den müs­sen. Wie Sie sehen, ist in die­ser Lebens­pha­se echt was los, und eigent­lich ist es ganz logisch, dass so etwas nicht völ­lig spur­los an uns vorübergeht. 

Zwei tauziehende Silhouetten
Foto von James Pond/Unsplash

Aus Zwei mach Drei

Ver­mut­lich uner­war­tet, aber die Geburt des ers­ten Kin­des ist auch eine natür­li­che Kri­se. War­um? Ist hier nicht alles eitel Son­nen­schein und Wohl­ge­fal­len? Gibt es denn nicht nichts Schö­ne­res als ein Baby und eine neu gegrün­de­te Fami­lie? Das ist rich­tig. Aber gleich­zei­tig wird eine Zwei­er­be­zie­hung plötz­lich zu einer Drei­er­be­zie­hung, und damit ändert sich alles. Das Baby ist voll­kom­men abhän­gig von den Eltern, und vor allem der Mut­ter, und allei­ne nicht über­le­bens­fä­hig. Das ist eine rie­si­ge Ver­ant­wor­tung, die es nun zu tra­gen heißt, und die man nicht abge­ben kann, denn man wird immer die Mut­ter oder der Vater die­ses Kin­des blei­ben, bis man stirbt.

In der Drei­er­be­zie­hung muss jeder erst ein­mal sei­nen neu­en Platz fin­den, das Trio muss sich ein­spie­len. Es kommt zu einer gro­ßen Innig­keit und Nähe zwi­schen Mut­ter und Kind (kör­per­li­cher Natur), die als Stör­fak­tor oder Bedro­hung der bis­he­ri­gen Innig­keit und Nähe des Paa­res erschei­nen, und Eifer­sucht ver­ur­sa­chen kann. Die Zwei­sam­keit und Zeit des Paa­res wird zunächst sehr ein­ge­schränkt. Hin­zu kom­men kör­per­li­che Belas­tun­gen wie Schlaf­man­gel, Erschöp­fung und Über­mü­dung, sowie die kör­per­li­chen Ver­än­de­run­gen der Mut­ter durch die Geburt. Ja, ein Baby zu bekom­men und eine Fami­lie zu grün­den ist wun­der­bar. Doch es for­dert die Betei­lig­ten enorm, und es fin­det ein gro­ßer Wan­del des bis­he­ri­gen Lebens statt. 

„Krise wozu?“

Das eben genann­te Bei­spiel ist anschau­lich, um zu zei­gen, dass eine natür­li­che Kri­se nicht so ablau­fen muss, wie wir uns das viel­leicht vor­stel­len – mit Trau­rig­keit, Depres­si­on, gro­ßem Ver­lust oder ein­sei­ti­ger Ein­schrän­kung. Das gibt es, aber es ist auch mög­lich, dass eine Kri­se etwas Neu­es hin­zu­fügt und för­dert, uns mit etwas beschenkt, und uns posi­ti­ve Erleb­nis­se und neue Erfah­run­gen schenkt. Wie zum Bei­spiel ein Baby. Und dies bringt z. B. das Gefühl mit sich, dass sich die Mühe lohnt. 

Man soll­te sich also bes­ser nicht fra­gen „Kri­se, war­um?“, son­dern viel­mehr „Kri­se, wozu?“ Wir kön­nen nicht ändern, dass es Kri­sen gibt. Und war­um sie gera­de dann auf­tre­ten, wenn sie auf­tre­ten, kann nie­mand beant­wor­ten. Was wir aller­dings aus der jewei­li­gen Kri­se machen, das kön­nen wir beein­flus­sen. Und wozu wir sie nut­zen möch­ten, kön­nen wir entscheiden.

Resilienz Gewinn

Sie könn­ten hin­ter­her rei­cher an Erfah­rung, klü­ger, stär­ker, rei­fer, ent­schei­dungs­freu­di­ger, und resi­li­en­ter sein. Und stolz, weil Sie es durch das Tief geschafft haben. Das stärkt das Selbst­ver­trau­en. Neu­es tritt in Ihr Leben ein, das Sie berei­chern kann, oder eine neue Per­spek­ti­ve eröff­net. Und wenn die Kri­se schließ­lich vor­bei ist, kön­nen Sie außer­dem mit den erwor­be­nen Bles­su­ren bei Ihren Freun­den ange­ben. Spaß bei­sei­te – Sie wis­sen dann, „das habe ich durch­ge­stan­den, das hat mich nicht umge­bracht, ich habe das geschafft und bin auch gerüs­tet, wenn die nächs­te Kri­se kommt. Denn was ich ein­mal geschafft habe, schaf­fe ich wieder.“ 

Wenn es dick kommt 

Natür­lich kann es auch mal dick kom­men im Leben, was pri­mär dann der Fall ist, wenn meh­re­re Kri­sen auf ein­mal auf­tre­ten. Dadurch stei­gen natür­lich die Her­aus­for­de­run­gen, und man steckt viel­leicht in einem Gedan­ken­krei­sel fest, oder kann in eine momen­ta­ne Über­for­de­rung kom­men. Sei es kör­per­lich oder psy­chisch oder bei­des. In so einem Fall ist es sinn­voll, sich pro­fes­sio­nel­le Hil­fe zu holen. Das ist kei­ne Schan­de, son­dern völ­lig nor­mal. Schließ­lich repa­riert man einen Rohr­bruch auch nicht selbst, son­dern holt sich einen Pro­fi.  Dazu sind die schließ­lich da.

Schild: Danger, Thin Ice
Foto von Eri­ca Nilsson/Unsplash

Entwicklungshelfer 

Die pro­fes­sio­nel­le Hil­fe ändert die Kri­se an sich nicht. Sie hilft aber einen neu­en Stand­punkt ein­zu­neh­men, schafft Zeit und Raum, sich mit dem Nöti­gen aus­ein­an­der­zu­set­zen. Das Poten­zi­al, das in einer Kri­se steckt, kann her­aus­ge­ar­bei­tet wer­den. Und es kommt die Metho­dik und Erfah­rung der Therapeut:in zum Ein­satz, die erprobt ist und hilft zu ord­nen, neu zu bewer­ten und kon­kre­te Bewäl­ti­gungs­stra­te­gien zu ent­wi­ckeln. Gera­de die sys­te­mi­sche Metho­de kann das wirk­lich gut. Den Rest kön­nen Sie selbst, denn die Lösung Ihres Pro­blems liegt sowie­so schon in Ihnen bereit, sie muss nur noch her­aus­ge­kit­zelt wer­den. #weil­dues­wert­bist

Nur Mut 

Also kei­ne Angst vor Kri­sen, wir brau­chen sie alle und haben sie alle, sonst wären wir noch Kin­der und blie­ben in unse­rer Ent­wick­lung ste­hen. Und wir haben auch das Zeug, mit ihnen umzu­ge­hen. Sie auch! 

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